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Geister, Engel, Menschen

In den weiten Gefilden des Himmels streifte ein Geist mit Engelsflügeln umher. Ja, ein echter Geist, der sich unter die Engel gemischt hatte! Doch warum trug er Engelsflügel? Nun, dieser Geist hatte sich danach gesehnt, nicht länger ein einfacher Geist zu sein. Er wollte mit den Engeln durch die Lüfte fliegen, auf den Wolken sitzen und Harfe spielen. Eine Geisterharfe. Er träumte davon, mit den himmlischen Wesen zu plaudern und Gottes schlauen Vorträge zu lauschen. Er wollte mit den kleinen Engeln spielen und auf die berühmten Partys gehen, von denen sogar er – ein Geist – gehört hat. Er möchte dazugehören. Und so beschloss er, sich als Engel zu verkleiden und mit seinen Engelsflügeln in den Himmel zu fliegen. Doch seine geisterhaften Freunde fanden das höchst eigenartig. Warum wollte der Geist in den Himmel? “Ich bleibe lieber auf der Erde, verstecke mich in alten Häusern und erschrecke Menschen oder sitze allein und grummelig in einem kalten Keller,“ dachten sie sich.

Trotz der Zweifel seiner Mitgeister flog der Geist tatsächlich in den Himmel, zu den himmlischen Sphären, wo er die Engel besuchte. Nach einer Weile beschloss er, zu den anderen Geistern auf der Erde zurückzukehren. Er ließ seine Engelsflügel auf einer kleinen Wolke am halben Weg zwischen Himmel und Erde zurück und schwebte hinunter zu den Geistern. Er erzählte von den Freuden des Himmels, von der himmlischen Musik und den kleinen Engeln. Doch nicht alle Geister konnten sich vorstellen, im strahlenden Licht des Himmels zu verweilen. Einige fürchteten die Helligkeit und die Offenbarung, die sie mit sich brachte. 

Besser im Dunkeln bleiben. Sonst wird man ja GESEHEN. Ist das nicht beängstigend? Man hat keine Kontrolle, ist total ausgeliefert, kann umzingelt und berührt werden! Oh mein Geist! Das traute man sich nicht zu. “Ja, alles kein Problem”, sagte der Geist. “Die Engel sind sehr höflich und greifen mich nicht einfach so an. Kein Grund zur Angst.” “Dann haben sie ja gar keine Angst vor dir!? Wie bekommst du dann Respekt?” rätseln die Geister entgeistert. “Wir spielen gemeinsam. Das mögen sie, sie lachen und kommen näher. Das fühlt sich gut an.” “WAS?! Das gibt es nicht. Ich liebe das erhabene Gefühl, wenn die Kinder vor Angst schreiend davonlaufen”, sagt ein alter, besonders zerzauster Geist stolz und sucht Zustimmung bei den anderen Geistern. Aber viele andere Geister sind fasziniert von der Geschichte auch wenn sie nicht so recht glauben können, dass man wahre Freude haben kann, nicht nur ein Gefühl von Überlegenheit und Macht.

Einige jedoch blieben skeptisch und hielten an ihrem Glauben fest, dass Geister in düsteren Schlössern und feuchten Kellern zu Hause sein sollten. Doch der Geist, der den Himmel besucht hatte, war fest entschlossen, seine Freude und sein Glück mit seinen Mitgeisten zu teilen. Er ermunterte sie, ihm zu folgen und ebenfalls den Himmel zu erkunden.

Ein Geist schwebt hoch und sagt entschieden: “Das will ich auch. Ich will mit dir in den Himmel kommen und Gott sehen.” Die Geister sind erstaunt! Wer? Noch so ein Verrückter? Wohin soll das führen? Das ist falsch! Wir sind Geister und gehören in dunkle Höhlen und feuchte Keller, nicht in einen lichtdurchfluteten Himmel. Und Wolken! Pah! Wolken hat noch nie jemand gebraucht.

Doch der Geist ist sich sicher. Eine große Menge an Geistern kommt zum Abschied und schaut neugierig, etwas furchtsam und auch sehnsüchtig zu, wie die zwei Geister davon schweben. Sie kommen an einem Baum vorbei, der wollige Samen trägt, und daraus baut sich der neue Geist seine Engelsflügel. Sie sehen anders aus als die Flügel des ersten Geistes, und das ist gut so, denn jeder ist anders und hat daher auch unterschiedliche Flügel. So fliegen sie zum Himmel. Der Torwächter erkennt den Geist und winkt ihm schon von Weitem entgegen. “Ah, du hast ja einen Freund mitgebracht, wie schön! Bitte, komm herein!” Der zweite Geist ist sprachlos! Wie kann das sein? Sieht der Wächter denn nicht, wer wir wirklich sind? Hat er keine Angst vor Geistern? 

Zusammen fliegen sie durch die himmlischen Sphären, bis sie schließlich einen belebten Marktplatz erreichen. Dort sehen sie eine Menschenmenge um einen Brunnen versammelt. Ein glitzernder Gegenstand liegt am Boden, von dem die Menschenmengen sichtlich beeindruckt waren.

Die beiden Geister schweben näher heran, um zu sehen, was vor sich ging. Ein Engel erklärt ihnen, dass die Münze vom Himmel gefallen sei und von niemandem berührt werden solle, weil sie fremd ist. Doch der zweite Geist kann der Versuchung nicht widerstehen und berührt die Münze. Die Menge hält den Atem an, doch nichts Schlimmes geschieht. 

“Was steht da drauf?” ruft ein Engel aus der Menge. „Das steht etwas drauf! Lies vor!“ „Erkenne dich selbst und du wirst ins Himmelreich kommen.“ liest der Geist mit lauter Stimme vor. „Aber wir sind doch schon im Himmel!“ ruft einer der Engel verwirrt. Einige Engel nicken und murmeln etwas in ihre goldenen Bärte, doch die Menge schaut weiterhin gespannt auf die Münze. „Wir müssen sie in den Brunnen werfen,“ ruft jemand. „Tief hinunter und dann müssen wir sie vergessen. Sie ist Teufelswerk.“ “Ja, in den Brunnen damit!“ ruft die Menge. 

Da kommt ein kleiner Vogel vorbeigeflogen und setzt sich auf die Hand des Geistes, in der die Münze funkelt. „Piep!“ zwitschert der Vogel und schnappt sich die Münze mit seinem kleinen Schnabel und fliegt hoch davon. Der Vogel trägt die Münze weit, weit hinauf, in den Himmel, von wo sie kam, und die Menge bleibt staunend zurück. Die Menge löst sich allmählich auf und nach einigen Jahren erinnern sich die Menschen an diesen Vorfall nur mehr wie an einen Traum. Ob sie sich das alles nur eingebildet haben? Eine Münze vom Himmel! Wer hat so etwas schon einmal gehört? Es gibt ja nichts Höheres als hier bei uns. Wir sind das Höchste. Und so leben die Menschen als Menschen weiter und vergessen, dass sie Engel sind. Und die beiden Geister leben froh weiter, erkunden die weite Welt und fliegen gemeinsam in viele weitere Abenteuer.

 

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