Abschlussarbeit der Ausbildung zur Lebens- und Sozialberaterin
an der pro mente Akademie Wien
Wien, September 2020
Mag. Maria Hubmann
Einleitung
In dieser Arbeit widme ich mich dem Körper und seinem Ausdruck, denn es ist unser Körper, der uns unser Leben, Erleben, Tun, Fühlen, Denken ermöglicht. Unser Körper ist untrennbar mit unserer Innenwelt verbunden und kommuniziert diese inneren Zustände nach außen:
“Das Erleben ist die Wurzel aller weiteren Erfahrung und auch deren unverzichtbares Bezugskriterium. Erfahrung ist damit die Bedingung der Möglichkeit von Subjektivität, Identität und Personwerdung.” Der Psychotherapeut Ernst Kern schreibt weiter “Der für die Grundlagen von Körperpsychotherapie wesentliche Punkt besteht nun darin, dass Erfahrung immer körperlich fundiert ist!” (Kern 2014 S. 18).
Psychisch gesunde Menschen können Gemütszustände ihrer Mitmenschen schnell und intuitiv an ihrem körperlichen Bild erfassen. Diese unbewusste und ungemein mitteilsame Sprache des Körpers ist uns Beraterinnen ein großer Pool an nonverbaler Information über unsere Klienten und über uns selbst. In der Beratung können wir diese Sprache jedoch nicht nur passiv verstehen, sondern auch aktiv sprechen. Wir können also bewusst in eine vielschichtige Kommunikation auf rationaler, emotionaler und physischer Ebene mit unserem Gegenüber treten und ihn so beim Lösen seiner Herausforderungen besser unterstützen. Ein wichtiger Begriff in diesem Zusammenhang ist Embodiment, also die Wechselwirkung zwischen Körper und Psyche. Äußere Reize wirken auf den Körper und führen zu somatischen Reaktionen, die zu Auslösern von unerwünschten psychischen Reaktionen werden können. Es kommt zu einem feedback-loop zwischen Körper und Psyche, der unkontrollierbar wirken kann (Härle 2015 S. 14). Die so wichtige Veränderung von Überzeugungen kann auf zwei Arten passieren: Top down durch kognitive und rationale Überlegungen und Bottom up durch das Verändern der Bewegungs- und Haltungsmuster (Härle 2015 S. 51). Diese Abschlussarbeit beschäftigt sich mit dem Bottom up Ansatz, also der Methode über Bewusstwerdung und Veränderungen auf der körperlichen Ebene die psychischen Vorgänge zu beeinflussen.
Wie zeigt sich die Sprache des Körpers?
Im Laufe unseres Lebens entwickeln wir ein Bewegungsgedächtnis, das uns hilft, motorische Routinen zu automatisieren. Diese Bewegungsmuster nehmen mit der Zeit Einfluss auf unsere Körperstruktur und die Funktionsweise unseres Körpers und tragen dazu bei bestimmte Gedanken und Gefühle aufrecht zu erhalten. Beginnt ein Mensch, sich selbst und seine Bewegungen wie auch seine Reglosigkeit wieder als seine ureigene Aktion wahrzunehmen, ist er in der Lage aktiv Einfluss zu nehmen. Dadurch können Handlungstendenzen und Bewegungsmuster verändert und integriert werden. Neue Bewegungsmuster stellen zugleich eine neue Weise der Selbstwahrnehmung dar, ein neu strukturiertes In-der-Welt-Sein (Härle 2015 S. 56).
Halko Weiss vergleicht das Lernen des Körpers mit dem Vorgang wie unser implizites Gedächtnis die Grammatik unserer Muttersprache lernt ohne zu wissen, dass es sie lernt. In gleicher Weise lernen wir auch die Grammatik der Beziehung, der Bewegung, der sozialen Normen, der Werte etc.. So argumentiert er, dass nur ein geringer Teil der gestaltenden Erfahrungen eines Menschenlebens sich kognitiv-bewusst erfahren ließe. Stattdessen würden wir von auf Erfahrungen basierendem “Wissen” gelenkt, das dem Bewusstsein nur in geringem Maße zugänglich ist. In einer v.a. sprachlich orientierten Therapie seien wir aber gerade von expliziten Inhalten abhängig und könnten wesentliche prägende darunterliegende Erfahrungen nicht richtig ansteuern. Und falls wir uns ihnen doch näherten, seien sie den verzerrenden Mechanismen des reflektierenden Geistes durch bspw. Rechtfertigen oder Rationalisieren ausgesetzt (Weiss 2013 S. 265). Damàsio ist sogar der Meinung, dass somatische Marker, also verkörperlichte emotionale Erfahrungen, die Grundlage mancher unserer Entscheidungen sind (Damàsio 1990).
Wir Beraterinnen (Ich benutze durchgehend die weibliche Form, die alle Geschlechter einbeziehen und ansprechen soll.) werden insbesondere von Menschen aufgesucht, die im Einfluss von Stressoren in ihrem Leben sind. Dieser Stress kann sich akut als Stressreaktionen oder chronisch als psychosomatische Beschwerden zeigen. Peter A. Levine beschreibt die Stressantwort von Säugetieren auf akute Gefahr als einen mehrstufigen Prozess beginnend mit Innehalten (arrest) und erhöhter Aufmerksamkeit gegenüber einer möglichen Gefahr. Bei einem Angriff wird unser Körper mit starker Agitiertheit reagieren und versuchen zu fliehen (flee) oder zu kämpfen (fight). Eine andere Möglichkeit die Chance auf das eigene Überleben zu erhöhen, ist das körperliche Erstarren (freeze). Wenn der Tod unausweichlich scheint, kann man auch die Erschlaffung der Muskeln (fold) beobachten, was ein Zustand der völligen Hilflosigkeit ist. Diese Reaktionen sind unwillkürlich, also in der Gefahrensituation nicht bewusst steuerbar. So kommt es oft bei Opfern von Gewalt zu Schuldgefühlen, wenn sie in der Erstarrung gefangen waren und sich nicht “ausreichend” gegen den Angriff gewehrt hatten (Levine 2010 S. 48).
Wir nehmen Gefahr einerseits mittels unserer nach außen gerichteten Sinnesorgane als Exterozeption, und andererseits über unser Körperinneres, die Interozeption wahr. Wenn unsere Muskeln angespannt sind, interpretiert unser Gehirn dies als Gefahr, auch wenn keine tatsächliche Gefahr herrscht. Das zeigt sich besonders tragisch bei traumatisierten Personen, die in ihren chronischen Stressreaktionen und zwischen Übererregung und konstriktiver (verengender) Symptomatik gefangen sind.
Eine chronische Stressantwort des Körpers zeigt sich sehr anschaulich in der Atmung. Bei der Atmung in der Schreckstarre bewegt sich die Bauchdecke beim Einatmen nach innen, der Brustkorb hebt sich. Bei der Ausatmung wölbt sich der Bauch nach außen, weil sich der Brustkorb entspannt. Nach Härle kann diese Art von Atmung chronisch werden und zeigt den verkörperten Schrecken und die eingefrorene Angst weit über die Gefahrensituation hinaus. Diese oder auch eine sehr flache Atmung hält die damit verbundenen Gefühle aufrecht, da die Atemmuster in einem direkten Zusammenhang mit dem Nervensystem stehen. Um Atmung oder andere teilweise unbewusste interozeptive Vorgänge zu erforschen und direkten Einfluss auf das Nervensystem zu nehmen kann traumasensitives Yoga mit seinen Körperstellungen und der Atemkontrolle hilfreich sein (Härle 2015 S. 201).
Wie kann Kommunikation mit dem Körper funktionieren?
Eine stabile, vertrauensvolle Beziehung zwischen Beraterin und Klientin steht im Zentrum der psychologischen Arbeit. Meist geschieht dieser Beziehungsaufbau ohne größere Anstrengung oder Planung. Der Großteil der zwischenmenschlichen Kommunikation findet nonverbal und meist unbewusst statt. Anders gesagt, weiß unser Körper in Beziehung mit dem anderen Körper zu gehen. Erst wenn der Gesprächsfluss ins Stocken gerät, schaltet sich unser Gehirn aktiv ein und versucht krampfhaft die nächste “richtige” Frage oder Rückmeldung zu finden. Je besser es uns gelingt in Resonanz mit unserer Klientin zu gehen, desto natürlicher wird unser Beratungsprozess ablaufen. Bettina Schroeter findet es in der körperpsychotherapeutischen Arbeit unerlässlich, “dass die Therapeutin sich in die verschiedenen Zustände der Klientin “miteinschwingen” kann, um den erlebten Erfahrungsraum auch in der bezeugenden und sprachlichen Symbolisierung angemessen erfassen und würdigen zu können.” (Schroeter 2017 S. 41). Sie beschreibt die Beziehung und Arbeit zur Klientin folgendermaßen:
“Was erlebe und “weiß” ich in der therapeutischen Begleitung meiner Klientin […]? Der feine Ausdruck ihres Körpers, die von ihr ausgehende “Schwingung” der konzentrierten Selbstversenkung und “Selbstvergewisserung” steckt mich an; ich erkenne spiegelbildlich in mir, wie sie sich fühlt, dass sie bei sich ankommt; […]. Ich gehe in Resonanz […]. In der neoreichianischen Körperpsychotherapie benutzen wir die Begriffe der “vegetativen Identifikation” und “somatischen Resonanz”, um dieses Phänomen zu erfassen. Weil wir selber einen Körper haben, der letztendlich ähnlich funktioniert wie der des anderen, können wir mitfühlen, sind angesteckt von der Stimmung und den Schwingungen des anderen.” (Schroeter 2017 S. 39).
Diese Fähigkeit den emotionalen Zustand anderer im eigenen Organsystem zu spüren hat eine organische Basis im System der Spiegelneuronen. Menschen können schnell und spontan erfassen, was ein Mensch aktuell fühlt oder was sein Handeln leitet. Spiegelzellen vermitteln dem Beobachter einen schnellen, spontanen Eindruck davon, was das Ergebnis einer beobachteten Handlung sein wird, sie bieten also eine Grundlage für intuitives Verstehen. Die von der Beraterin ausgelöste innere Resonanz lässt die Beraterin spüren, was die Klientin bewegt und welche Wünsche, Ängste oder sonstigen Gefühle sie beseelen. Die Beraterin spürt auch ein Stück dessen, was die Klientin selbst manchmal noch nicht fühlen kann (ergänzendes Einfühlungsvermögen), spürt also die Gefühle der Klientin und die eigenen Gefühle (Bauer 2008 S. 12 – 13).
Das Spüren der eigenen und gleichzeitig der Gefühle der Klientin macht es so unerlässlich für Beraterinnen sich immer wieder mit ihrer eigenen inneren Welt der Gefühle, Gedankenmuster und Körperempfindungen auseinander zu setzen und sich in ihrem eigenen Körper wohl und zu Hause zu fühlen. Kern bringt das in seinen Therapiebedingungen der personzentrierten Körperpsychotherapie klar zum Ausdruck (Kern 2014 S. 84 – 87):
- Körperbasierte Empathie kann die Beraterin folgendermaßen zeigen:
- Gesprächsführung: Was hat der Klient atmosphärisch, in seinem Körper erlebt? Verbalisieren körperlicher Phänomene, die man beobachtet. Nonverbales Spiegeln
- Körperliches Einfühlen in die Welt des Klienten: Mitmachen einer Bewegung oder Nachstellen einer Körperhaltung, Alternativen zu dieser Haltung erkunden
- Energetische Wahrnehmung: Die Klientin auf sich wirken lassen. Wo fließt es (nicht)?
- Körperbasierte bedingungsfreie Annahme: Einfachste Wahrnehmungen werden in den Mittelpunkt gerückt und mit echtem Interesse der Therapeutin anerkannt.
- Körperbasierte Kongruenz und Präsenz: Therapeut reflektiert seinen eigenen felt sense und wohnt in seinem Körper.
Die ständig unbewusst ablaufende Bewegungsanalyse der Körpererscheinung, -haltung und -bewegung gibt Aufschluss über innere Prozesse der Kognition und Emotion (Dekodierung). Eine aktive Einbeziehung dieser körperlichen Sprache ist insofern wichtig, als z.B. während traumatischer Erfahrungen und später bei der Erinnerung daran eine neurobiologische Hemmung des Sprachzentrums geschieht. Daher sind verbal orientierte Therapieformen nur bedingt in der Lage das automatisierte Fühlen und Handeln zu erschließen oder zu beeinflussen. Die therapeutische Bewegungsbeziehung ermöglicht es, die Klientin auf der Körperebene zu erreichen. Sie unterstützt die Erweiterung des Bewegungsrepertoires und gestaltet die Beziehung zwischen Beraterin und Klientin nonverbal. Empathisch empfindet die Beraterin Körperform, Bewegungsrichtung, Spannungszustände, Dynamiken und komplexere Bewegungsprozesse der Klientin nach und spiegelt sie wider (Eberhard-Kaechele 2009 S. 167).
Wie können Beraterinnen mit dem Körper arbeiten und ihn nutzen?
In unserer leistungsorientierten Gesellschaft steht die Aktivität oft im Zentrum. Gerade dieses ständige Tun und beschäftigt sein ohne ausreichende Pausen lässt viele Menschen an unsere Beraterinnentür klopfen und um Hilfe bitten. Jetzt liegt es an uns entweder den Leistungsgedanken mit unzähligen Übungen und Interventionen weiter zu treiben, oder den Vertrauensvorschuss der Klientin zu nutzen um einen neuen Zugang anzubieten – das Leben im Hier und Jetzt durch das Beobachten was gerade ist. Ich empfinde den Fokus auf das neugierige Spüren der körperlichen Empfindungen ohne aktives Tun als eine der Stärken der körperorientierten Beratung. Es braucht nichts bewertet oder verändert zu werden, sondern das schlichte Beobachten bewirkt eine Veränderung. Achtsamkeit rückt die Gegenwart in den Vordergrund und der beste Anker für die Gegenwart ist die sinnliche Erfahrung. (Härle 2015 S. 222) Diese Gewahrwerdung des eigenen Körpers mit seinen unterschiedlichen Empfindungen lädt die Klientin ein, unterschiedliche Qualitäten von Empfindungen wahrzunehmen und anzunehmen. So findet man auch somatische Ressourcen, also neutrale oder angenehme Körperstellen, die immer wieder aufgesucht werden können. Beraterinnen haben also neben den verbreiteten Ressourcen der systemischen Methodik die Möglichkeit den Körper der Klientin, den diese ja jederzeit zur Verfügung hat, anzusprechen und als Ressource bewusst zu machen.
Eine Möglichkeit der Arbeit mit einer körperlichen Ressource ist das Pendeln. Beim Pendeln lässt man die Klientin ihre Aufmerksamkeit zwischen einer positiven oder neutralen und einer unangenehmen Körperempfindungen hin- und herpendeln. Das hilft Klientinnen peinigende Empfindungen und Emotionen besser zu tolerieren (Levine 2010 S. 79). Man kann auch malerisch kreativ eine Körperlandkarte der neutralen oder positiven Empfindungen mit Farben kreieren (Härle 2015 S. 240). Das lässt die Klientin auch deutlicher erkennen, dass nicht alles einheitlich schlecht oder problematisch ist. Nicht der gesamte Körper fühlt sich unangenehm an, nicht das ganze Leben ist problembehaftet, sondern es gibt Momente oder Situationen im Leben, die neutral oder positiv bewertet werden. Wir können unseren Klientinnen helfen Gedanken, Emotionen und Empfindungen im Körper zu benennen und zu differenzieren. Damit verschmilzt nicht alles miteinander, sondern wird vereinzelt und somit handhabbar (Härle 2015 S. 241).
Eine machtvolle Methode der körperorientierten Beratung ist, einen Bewegungsimpuls aufzunehmen und ihm nachzukommen. Es kommt zu Bottom up Veränderung, also vom Körper ausgehend die Psyche beeinflussend. Auf diese Weise entstehen neue kognitive Schemata über Kontrolle und Selbstermächtigung (Härle 2015 S. 250). In der körperorientierten Traumatherapie will man den im Trauma eingefrorenen Körper wieder sanft “auftauen”, indem der Patientin für sie ungewohnte Haltungs- und Bewegungsmuster angeboten werden. Es wird mit Bewegung experimentiert und die Wirkung der Veränderung betrachtet (Härle 2015 S. 15). Das von Eugene T. Gendlin entwickelte Focusing ist ebenso eine Schnittstelle zwischen Sprechen und Körper (Kern 2014 S. 35), also einen Bottom up Ansatz.
Claire Moore beschreibt anhand einer traumazentrierten Fallsupervision die Stärken der Einbeziehung des körperlichen Ausdrucks. Fragmentarische Elemente traumatisierender Erfahrungen werden auf sensorischer, kognitiver, emotionaler, kinästhetischer Ebene vermittelt und übertragen, ohne dass ein dazu gehörender narrativer und kohärenter Zusammenhang zum traumatischen Erlebnis sogleich erkennbar wird. Die nonverbale Kommunikation enthält in vielen Fällen Residuen traumatischer Erfahrungen. Dies erfordert ein besonderes Augenmerk für die Kommunikation des Körpers, die sich in Bewegungen zeigt. Die erkennbaren Bewegungen können als unbewusste Bewegungs-Präferenzen verstanden werden, die ein Mensch nutzt, um mit Erfahrungen bestmöglich umzugehen. Aus diesem Grunde sind die jeweiligen Präferenzen als Ressourcen für die weitere Entwicklung zu werten (Moore S. 239). Sie ermutigt uns Helfende die Supervision um nonverbale Kommunikation zu erweitern, um die Innenperspektive des Menschen, die nur teilweise sprachlich-kommunikativ erschlossen werden kann, mit Hilfe der Bewegungsbeobachtung einen möglichen Ausdruck zu geben. Die Beraterin kann die Prinzipien der somatischen Gegenübertragung nutzen, indem sie den eigenen Körper, seine Bewegungen, Gefühle, Fantasien, inneren Bilder, usw. wahrnimmt, um potenziell eine Verbindung zum Prozess der Klientin herzustellen (Moore 2009 S. 240). Dieses körperliche in-die-Klientin-Treten erweitert bewusst Rogers’ Einfühlung in die Klientin um den körperlichen Aspekt.
Peter A. Levine hat mit Somatic Experiencing eine körperbasierte Methode entwickelt, die er insbesondere in der Behandlung von Traumapatienten einsetzt, da Trauma im Körper passiert und auch im Körper gehalten wird (Levine 2010 S. 74 – 75). Somatic Experiencing setzt sich aus folgenden Schritten zusammen:
- Schaffen einer Umgebung von relativer Sicherheit durch die Ruhe, Geduld und Empathie der Helfenden.
- Unterstützen der Klientin beim Erforschen und Akzeptieren ihrer Körperempfindungen durch Ansprechen von Haltungsveränderungen oder Bewegungen und die Einladung an die Klientin das Wahrzunehmen.
- Pendeln zwischen dem Gefühl von Sicherheit und angstbesetzten Empfindungen, damit die Person lernt, dass Empfindungen und Gefühle nicht statisch sind, sondern sich verändern.
- Titration und vorsichtiges Annähern an Erregung.
- Wiederherstellen von aktiven Handlungen anstatt der passiven Reaktionen und Hilflosigkeit.
- Trennung der konditionierten Assoziation von Angst und Hilflosigkeit von der chronischen Angstreaktion der Erstarrung.
- Auflösen der Übererregung durch körperliche Entladung von steckengebliebenen Flucht- oder Angriffshandlungen.
- Gesunde Selbstregulation wiederherstellen.
- Orientieren auf das Hier und Jetzt, Kontaktaufnahme mit der Umgebung und Etablieren von sozialem Austausch.
Levine versucht die Sprache des Körpers zu verstehen und ihr Ausdruck zu verschaffen. Durch das Spüren von Empfindungen und die Erfahrung, dass diese sich verändern und zu einem Ende kommen, verhilft er Menschen schwierige Erfahrungen Bottom up durchzuarbeiten. (Levine 2010)
Schlussbetrachtung
Welche Vorteile bzw. Herausforderungen hat die körperorientierte beratende Arbeit?
In der therapeutischen Dyade ist es essentiell in Anwesenheit der Klientin “bei sich selbst” bleiben zu können, ohne sich vom Anderen abzuwenden (Lange 2008 S. 94). Das inkludiert natürlich auch das Spüren und Zulassen der eigenen Körperempfindungen. Das Miteinschwingen mit der Klientin setzt voraus, dass die Beraterin die Wirkungsweise dieser Zustände am eigenen Leib und Geist vielfältig erfahren und durchdrungen hat und sie somit in der therapeutischen Begleitung angemessen spiegeln kann (Schroeter 2017 S.41). Empathie stellt einerseits als Basis der beratenden Beziehung einen unverzichtbaren Bestandteil der therapeutischen Arbeit dar, andererseit ist man als Helfende in der Gefahr sich in der Identifikation der Gegenübertragung zu verheddern und somit Teil der Konstrukte der Klientin zu werden. Albrecht Boeckh beschreibt die Effektivität von Rollenspielen in der Supervision um dadurch zu einem tieferen Fallverständnis und einem Loslassen der Gegenübertragungsreaktion zu kommen, was durch rein kognitiv erarbeitete Lösungen häufig durch eher oberflächliche “ja, aber” Gefühle ersetzt würde (Boeckh 2008 S. 153 – 154).
Obwohl ich einige Bücher über körperorientierte Beratung in der Behandlung von Trauma zitiere, empfinde ich die Arbeit mit und durch den Körper als Lebens- und Sozialberaterin als ein sehr wertvolles Werkzeug, das uns noch tiefer auf die Klientin eingehen lässt. Die Einbeziehung des gesamten Körpers in die Beratung um ein vollständigeres Bild der Klientin erfassen zu können und um tiefer mit unbewussten Verhaltensmustern arbeiten zu können, stellt sowohl eine Erweiterung der Lösungsmöglichkeiten als auch eine Herausforderung dar. Wir sind nicht nur gefordert die Sprache des Körpers unserer Klienten zu verstehen und in bewussten Austausch mit ihr zu treten, sondern auch die Mitteilungen unseres eigenen Körpers wahrzunehmen und anzunehmen. Ich finde es unverzichtbar als Beraterin mich in der Selbsterfahrung nicht nur den rational-sprachlichen Aspekten meines Selbst zuzuwenden, sondern auch körperlich mit mir ins Reine(re) zu kommen und mich im eigenen Körper wohl und daheim zu fühlen. Dieses in-sich-Ruhen strahlt aus uns heraus und vermittelt der Klientin Sicherheit auch solche Dinge ausdrücken zu versuchen, die tabuisiert oder sprachlich gehemmt sind:
“Damit die unterschiedlichen Facetten und Abwehrbewegungen der körperlichen Erfahrungen zutage treten können, muss es der Therapeutin möglich sein, Irritationen und Verunsicherungen zuzulassen. […] Um das Sprechen […] in eine Sprache zu transformieren, die die tabuisierten Bewegungen des Körpers aufnehmen kann, müssen wir unsere gewohnte Sprechweise hinterfragen und anerkennen, dass auch “wenn das Wort fehlt, deshalb nicht die Sache selbst [fehlt]”. Erst auf diese Weise können bislang ungedachte Seinsweisen und Sichtweisen möglich werden.” (Krüger-Kirn 2017 S. 59).
Literaturverzeichnis
Bauer Joachim, Der Körper als Zeichengeber. Das System der Spiegelneurone als neurobiologisches Korrelat für intuitives Verstehen. in Vogt Ralf, Körperpotenziale in der traumaorientierten Psychotherapie. Aktuelle Trends in körperorientierter Psychotraumatologie, Hirnforschung und Bewegungswissenschaften. Gießen Psychosozial-Verlag 2008
Boeckh Albrecht, Methoden-integrative Supervision. Ein Leitfaden für Ausbildung und Praxis. Stuttgart Klett-Cotta 2008
Damàsio A. R., Tranel D. und Damasio H., Individuals with sociopathic behavior caused by frontal damage fail to respond autonomically to social stimuli. Behavioural Brain Research. 1990 Dec 14;41(2):81-94.
Eberhard-Kaechele Marianne, Heimkehr zu sich selbst: Affektregulation und Selbstvertrauen nach Traumatisierung. in Moore Claire und Stammermann Ulla (Hg.), Bewegung aus dem Trauma. Traumazentrierte Tanz- und Bewegungspsychotherapie. Stuttgart Schattauer 2009
Härle Dagmar, Körperorientierte Traumatherapie. Sanfte Heilung mit traumasensitivem Yoga. Paderborn Junfermann Verlag 2015
Kern Ernst, Personzentrierte Körperpsychotherapie. München Reinhardt 2014
Krüger-Kirn Helga, Zwischen Wortgewalt und Körpergeflüster. Zum Problem der Symbolisierung weiblicher Körperlichkeit am Beispiel von Mutterschaft. in Krüger-Kirn Helga und Schroeter Bettina (Hg.), Verkörperungen von Weiblichkeit. Gendersensible Betrachtungen körperpsychotherapeutischer Prozesse. Gießen Psychosozial-Verlag 2017
Lange Doris, BurnOut-Phänomene bei Psychotherapeuten. Möglichkeiten körperpsychotherapeutischer Selbstregulation “Funktionelle Entspannung” in Vogt Ralf, Körperpotenziale in der traumaorientierten Psychotherapie. Aktuelle Trends in körperorientierter Psychotraumatologie, Hirnforschung und Bewegungswissenschaften. Gießen Psychosozial-Verlag 2008
Levine Peter A., In an unspoken voice. How the body releases trauma and restores goodness. Berkeley, Ca. North Atlantic Books 2010
Moore Claire, Bewegungsbeobachtung in der traumazentrierten Fallsupervision. in Moore Claire und Stammermann Ulla (Hg.), Bewegung aus dem Trauma. Traumazentrierte Tanz- und Bewegungspsychotherapie. Stuttgart Schattauer 2009
Schroeter Bettina, “Kein Ort nirgends oder von der Sehnsucht anzukommen” Suchbewegungen zum weiblichen Körper. in Krüger-Kirn Helga und Schroeter Bettina (Hg.), Verkörperungen von Weiblichkeit. Gendersensible Betrachtungen körperpsychotherapeutischer Prozesse. Gießen Psychosozial-Verlag 2017
Weiss Halko, Zum Studium des Unbewussten über den Körper. Wie die sorgfältige Anwendung der Achtsamkeit einen verfeinerten Arbeitsmodus für die Körperpsychotherapie bereitstellt. in Thielen Manfred, Körper, Gruppe, Gesellschaft. Neue Entwicklungen in der Körperpsychotherapie. Gießen Psychosozial-Verlag 2013
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